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mikro.lounge # 7   
Sonic Outlaws - Copyright und Musik im Netz 

7. Oktober 1998 

WMF, Johannisstr. 19  

Transkript der Diskussion

 
RealAudio in RIS 
* Diskussion  

 RealVideo in Mediaweb-TV: 
* Diskussion Modem | ISDN  
 

Diskussionsteilnehmer: 

* Hanno Fierdag, Berlin, Jurist & Musikwissenschaftler. Er arbeitet in der 
Urheberrechts-Kanzlei Kornmeier, Schardt & Schulz und promoviert zum Thema 
Copyright für algorithmische Kompositions-Systeme. Sprechen wird er u.a. 
über die rechtliche Problematik des Sampling.  

* Olga Taranczewski, Musikedition M-Class Publishing, Berlin. Im März 1998 
gegründet, verlegt M-Class Musik, die auf "softwaregestützten Medien", z.B. 
Computer-Games erscheint. M-Class ist eine Edition des Freibank-Verlages 

* Thomax Kaulmann, Radio Internationale Stadt (RIS), eines der größten 
Audio-Archive im Internet, für das er gerade auf der Ars Electronica mit 
einem Anerkennungspreis ausgezeichnet wurde.     

* Niels Rump, Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen, Erlangen, 
hat das Multimedia Protection Protocol (MMP) für den Vertrieb von MPEG 
Layer-3-Daten mitentwickelt, das verschiedene Music-on-Demand-Systeme
(z.B. das der Deutschen Telekom) verwenden.
 
* Moderation Volker Grassmuck (mikro)   
 
 

Volker Grassmuck: Das Urheberrecht bildete sich an der Innovation Gutenbergs. Es war von Anfang an mit der Medientechnologie gekoppelt. Es geht zurück auf die Privilegien, die im frühen 18. Jahrhundert den englischen Buchgilden verliehen wurden. Es gilt also zuallererst dem Investitionsschutz der Drucker-Verleger. In der französischen Revolution wurden dann auch sog. moralische oder urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte festgeschrieben, die sich in der deutschen Debatte unter Philosophen und Literaten weiterentwickelten. Anglo- amerikanisches Copyright und kontinentaleuropäisches Urheberrecht unterscheiden sich in der Gewichtung dieser beiden Aspekte. Der Schutz der moralischen und materiellen Interessen des Urhebers wissenschaftlicher und künstlerischer Werke ist dann sogar in die Universelle Menschenrechtsdeklaration eingegangen. Dort heißt es aber auch, jeder habe das Recht, frei am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und an den wissenschaftlichen Fortschritten teilzuhaben.   

Darin deutet sich das Spannungsverhältnis an zwischen dem Verwertungsinteresse der Urheber und Hersteller und einem öffentlichen Interesse am Zugang zu geistigen Werken. Das Urheberrecht soll die Bedingungen schaffen, unter denen Urheber neue Werke schaffen können. In der Literatur geht es immer darum, ein "ausgewogenes Verhältnis" zu erzielen. Das öffentliche Interesse drückt sich -- anders als beim materiellen Eigentum -- in der Beschränkung der Schutzfrist auf 70 Jahre nach Tod des Autors aus. In Deutschland kommt die Idee der Sozialbindung des Eigentums dazu, das z.B. Bildungszwecken untergeordnet wird. Für die Autoren besteht die Spannung zwischen der Input-seitigen Freiheit, sich auf Werke anderer zu beziehen, und dem Output-seitigen Schutz der eigenen Werke. 

In Diskrepanz zu dieser langen Rechtsgeschichte steht das weitverbreitete "entspannte" Verhältnis vieler Menschen zum Urheberrecht. Die Verwertungsgesellschaften und die Rechteindustrie fordern Bildung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Die Software-Industrie will, daß im Computerunterricht in den Schulen auch gelehrt wird, daß es unrecht und unmoralisch sei, Programme zu kopieren. Hier zeigt sich eine größere Kluft als in anderen Bereichen zwischen Rechtsnormen und Rechtsbewußtsein in der Bevölkerung.  

Wenn das 20. Jahrhundert das Zeitalter der technischen Medien ist, kann man es mit gleichem Recht als das der Urheberrechte-Industrie bezeichnen. Die Infrastruktur der Rechteindustrie, von Gesetzgebung und Rechtsprechung, von zwischenstaatlichen Abkommen, Verwertungsgesellschaften und spezialisierten Rechtsanwälten ist in den vergangenen 50 Jahren entstanden und mit der sog. Infogesellschaft immer wichtiger geworden.  

Um die Dimension anzudeuten: der weltweite Tonträgermarkt hatte 1996 ein Volumen von $40 Mrd., davon ein Drittel in Europa (etwa $13 Mrd). Die Künstler bekommen davon eine Bruchteil, nämlich zwischen 2 und 5%. In den vergangenen 10 Jahren hat der Markt sich vervierfacht. Gleichzeitig hat die Konzentration zugenommen. Die Großen Fünf sind BMG, EMI, PolyGram, Sony und Warner Chappell. Die Musikindustrie behaupt Verluste durch Piraterie in Höhe von $ 5 Mrd. (1997). Eine IFPI-Untersuchung Anfang des Jahres fand 80.000 illegale Musik-Files im Internet. Die Verwertungsrechte -- der "Content" - - sind in der Informationstechnologiegesellschaft die zentrale Ware. 

Dementgegen versprechen technologische Entwicklungen einen erweiterten Zugang. Die Independent-Szene ist in den 80ern aufgekommen, weil es neue Möglichkeit für billigerer Plattenpressungen gab. Mit 5000 DM war eine Kleinserie herzustellen. MIDI, Sequencer, Sampler, Multi-Tracker u.a. Software auf PCs erlauben, das, was bislang nur in high-end- Studios möglich war, im heimischen Wohnzimmer zu machen. Über das Netz können Musiker ihre Werke unter Umgehung der Industrie und damit der Kosten für Overhead, Pressung usw. direkt den Hörern anbieten. Die Monopol-Kontrolle über Produktions- und Distributionsmittel könnte wegfallen. CDs, so versprach die Industrie, sollten billiger werden als Vinylplatten. Doch das ist nicht eingetreten. Heute heißt Music-on-Demand (MoD) soll billiger werden als CDs. Im Telekom-System Audio-on-Demand kostet heute ein einzelner Song 8-9 DM, eine Album mit 15 Stücken würde danach 120 DM kosten -- plus die Kosten für Telefon, Internet und den CD-Rohling.   

Das Internet ist historisch offen. Die Gabentausch-Ökonomie beruht auf einer Anerkennung, die mit möglichst weiter Verbreitung wächst. Mit dem heutigen Einzug der Geldökonomie findet eine Schließung statt. E-Geld und Zugangskontrolle zu Kaufgütern sind Hauptziel der Industrie, Kryptographie ist das Hauptmittel. Das Internet kennt historisch keine Staatsgrenzen, das Urheberrecht dagegen ist territorial. Tatsächlich erlauben Länderkennungen in MoD-Systemen, einzelne Titel nur z.B. für Skandinavien oder für Deutschland freizugeben.   

Zwei Trends zeichnen sich ab: Die Konzentration nimmt zu. Die Konvergenz der Medien führt zu Allianzen aus Kulturindustrie, Computer- und Telekommunikation unter multinationalen Holding-Unternehmen. Die GEMA und andere Verwertungsgesellschaften versuchen hinterher zu wachsen und sich zu internatinalisieren. Dagegen bilden sich aus der Independent-Szene und dem Graswurzelgeist des Internet kleine vernetzte Mikrostrukturen, die die Großen unterlaufen. Der Musikverlag Freibank, Radio Internationale Stadt oder die Free Music Philosophie funktionieren nach einer vollständig anderen Logik. 

Hanno Fierdag, du bist Anwalt in der Urheberrechts-Kanzlei Kornmeier, Schardt & Schulz. Wenn du solche Aktivitäten siehst, wie Negativeland sie entfalten, müßt das doch eigentlich der Traum respektive Alptraum -- je nachdem wer der Klient ist -- eines Urheberrechtsanwalts sein. 

Hanno Fierdag: Das kommt darauf an, welche Seite man vertritt. Wir vertreten oft Verlage und Urheber. Und für Künstler, denke ich, ist es immer noch schlecht, wenn frei kopiert werden kann, denn der Urheber wird letztlich um seine Früchte gebracht. Etwas anders sehe ich das, wenn es sich um Tonträger handelt. Wenn Teile eines Tonträgers kopiert werden, kann man überlegen, ob man da vielleicht andere Lösung findet. Man muß prinzipiell unterscheiden -- das hattest du auch schon gesagt -- zwischen dem Urheberrecht am Werk und den Leistungsschutzrechten des Tonträgerhersteller. Was du gerade als Negativszenario aufgezeigt hast, mit dem Beherrschen des Marktes durch fünf Majors, betrifft meines Erachtens hauptsächlich die Tonträgerindustrie.  

Volker: Die Produktionsbedingung und damit die Musikkultur hat sich vor allem in den 80er Jahren gewandelt durch das Sampling und die DJ-Kultur, die nicht mehr mit Originalsounds arbeiten, sondern genau mit veröffentlichten Tonträgern, aus denen neue Werke geschaffen werden. Das ist zunächst in einem rechtsfreien Raum entstanden. Es hat zahlreiche Auseinandersetzungen darum gegeben. Wie reagiert die Rechtsprechung darauf? 

Hanno: Ein rechtsfreier Raum ist das nicht. Das Gesetz macht schon ganz klare Vorgaben. Teile eines Werkes können entnommen werden, einmal zu Zitatzwecken, und dann kann man Werke privat bearbeiten, solange man sie nicht öffentlich verwertet. Wenn man das tut, dann muß man den Urheber respektive den Verlag, der die Rechte des Urhebers verwaltet, um eine Genehmigung fragen. Dabei geht es darum, Teile zu verwerten, um sie mit anderen zu verbinden. Das zweite Problem betrifft die Entnahme von vorbestehenden Tonträgeraufnahmen. Wenn man von einer CD eine Melodie übernimmt und zur Grundlage eines Samples macht, dann verletzt man im Zweifel in erster Linie die Rechte des Herstellers an diesem Tonträger und muß dementsprechend eine Gebühr bezahlen. Das Gesetz sieht das relativ streng vor. Nun gibt es in der Rechtsprechung bislang eine einzige Entscheidung -- das ist alles noch sehr umstritten --, daß es auf das Merkmal der Wiedererkennbarkeit ankommt. Wenn es sich nur um einen kleinen Teil handelt, von dem nicht eindeutig erkennbar ist, daß er von einem bestimmten Tonträger kommt, sagt man, das ist eine freie Benutzung. Insofern werden die Regeln, die vom Werk vorliegen, auf das Leistungsschutzrecht übertragen.  

Volker: Im Film vorhin ist ein Fall angesprochen worden von 2 Live Crew, die Roy Orbisons "Pretty Woman" verwendet haben. In der Gerichtsentscheidung von 1994 dazu heißt es: "In der Wahrheit, in der Literatur, in der Wissenschaft und in der Kunst gibt es und kann es nur wenige, wenn überhaupt Dinge geben, die in einem abstrakten Sinne vollständig neu und originell sind. Jedes Buch der Literatur, Wissenschaft und Kunst entlehnt und muß notwendigerweise viel von dem entlehnen und verwenden, was vorher bekannt war und verwendet worden ist." Diese Aussage stellt ja die Grundidee des Urheberrechtssystems mit seinem Autorbegriff des 19. Jahrhunderts in frage, der eng gekoppelt ist an Kreativität. Das Kriterium der "Schöpfungshöhe" muß erfüllt sein, bevor ein Werk Urheberschutz genießt. 

Hanno: Das geht zurück auf den Individuumsbegriff. Die Individualität des Künstlers muß im Werk zum Ausdruck kommen. Wenn das nicht der Fall ist, genießt das Werk keinen urheberrechtlichen Schutz, ganz einfach weil vieles frei sein soll.  

Andy Müller-Maguhn: Wer mißt denn das? 

Hanno: Das ist eine praktisch schwierige Frage. Das entscheidet der Richter im Streitfall aufgrund von Sachverständigengutachten. Außerdem gilt das Prinzip der ‘kleine Münze'. D.h. es genügt ein sehr geringer ästhetischer Überschuß. Das Urheberrecht soll ja zunächst die Kunst schützen.  

Andy: Der Satz des amerikanischen Richters klingt für mich so: das Coypright kennt Evolution. Es bedeutet, daß die Weiterentwicklung gehemmt wird durch die Angst des Einzelnen, bei der Entfaltung als Künstler Rechte anderer zu verletzen. Und wenn es so etwas wie Urheberrechtsanforderungen nicht gäbe, würde jeder frei mit den Gedanken, der Musik, der Software anderer Leute rumspielen, würde dadurch eigene künstlerische Leistungen erbringen. Und damit das passieren kann ist es selbstverständlich erforderlich, das nicht nur im Privaten zu machen, sondern das auch zu veröffentlichen. Denn sonst ist das keine Evolution, sondern Rumspielen. Evolution entsteht ja dadurch, daß mehrere Leute die Gedanken transformieren. Wie läßt sich das rechtlich festschreiben? 

Hanno: Man versucht ja dieses Spannungsverhältnis zu lösen. Daß niemand im dunklen Raum etwas völlig Neues schöpft, ist klar. Man braucht Einflüsse. Jeder Kunstproduzent kann auf einen riesigen Fundus von gemeinfreien Werken zurückgreifen, denn sie sind ja nur geschützt bis 70 Jahre nach Tod des Autors. 

Andy: ... mit Wilhelm Busch kann ich also machen was ich will? 

Hanno: Im Bereich der Musik geht es noch weiter. Wenn ein Teil einer Melodie verwendet wir, und ein vermeintlich Verletzter sagt, die Melodie ist von mir und ich verlange Schutz und Gebühren, daß dann der vermeintliche Verletzer sagen kann, nein, die Melodie hat schon Mozart geschrieben und ist deswegen gemeinfrei.  

Tim Pritlove: Dann ich in 80 Jahren anfangen, Michael Jackson zu parodieren? 

Hanno: Parodieren kann man schon eher. Und eigene Ideen kann man immer haben, man muß sie nur umsetzen.  

Tim: Aber wenn die auf Michael Jackson basiert, dann klagt mich irgendein Rechtsanwalt weg. 

Hanno: Es kommt darauf an, ob es sich um eine freie Benutzung oder eine Bearbeitung handelt. Da sagt die Rechtsprechung, daß es sich um eine freie Benutzung handelt, die keiner Genehmigung bedarf, wenn ‘die Wesenszüge der Vorlage verblassen'. Das muß man im Einzelfall sehen. 

Volker: Es gibt ganz offensichtlich eine Bewegung im außerrechtlichen Raum. Die 90er Jahre sind als Sampling-Kultur bezeichnet worden, nicht nur in Bezug auf Musik, auch auf Grafik und Text: Hypertextsysteme, an denen viele Autoren beteiligt sind und als ein ganzes Werk bestehen, weiterwachsen und nie abgeschlossen sind. All das sind Fragen, die an den Rechtsbetrieb gestellt werden. Zu einer Entscheidung kommen sie natürlich nur, wenn es einen Kläger gibt. Das passiert, wenn massive wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, und das ist bei der großen Konzentration im Musikbereich besonders deutlich. Eine Frage zur Rechtslandschaft in Deutschland: Eure Kanzlei ist eine von etwas zehn in Deutschland, die sich auf Urheberrecht spezialisiert haben. Ist das eine Ausdruck davon, daß es sich um einen relativ jungen Rechtsbereich handelt oder drückt sich darin ebenfalls eine Konzentration aus? 

Hanno: Ausdruck einer Konzentration ist das mitnichten. Ob es zehn Kanzleien sind, da bin ich überfragt. Sicherlich gibt es im Rahmen von Copyright für Musik nicht so viele Kanzleien. Aber daneben gibt es auch solche, die sich mit Druckkünsten, bildender Kunst oder Film beschäftigen. Was auf jeden Fall stimmt ist, daß das Urheberrecht in der Ausbildung einen eher esoterischen Touch hat, was sich aber mittlerweile durchaus ändert. Immer mehr werden in diese Richtung gehen. 

Volker: "Das Urheberrecht, das die wirtschaftliche Basis nahezu aller schöpferischen Menschen darstellt ohne die es weder Kultur noch einen ‘Kulturstaat' gäbe, auf den Öffentlichkeit wie Politiker in Deutschland gleichermaßen stolz sein dürfen," sagt Reinhold Kreile, Chef der GEMA, und fährt fort: "liefe jedenfalls auf dem Gebiet der Musik ohne die GEMA ins Leere." Ich weiß, Olga, Du bist ein besonderer Fan von Kreile. Kurz für diejenigen, die ihn nicht kennen: Kreile ist Jahrgang 1929, war über 20 Jahre für die CSU im Bundestag, u.a. im Rechtsausschuß, im Vorstand des Deutschlandfunk und der Münchner Kabel-Gesellschaft, ist heute Chef der GEMA und sitzt in den Vorständen so ziemlich aller europäischer und internationaler Urhebervereinigungen. Mit den Mediengenerationswechseln geht immer auch ein kultureller Generationswechsel einher. Die großen, behäbigen Bürokratien der GEMA ebenso wie der Rechtekonglomerate würden Multimedia gern verstehen, aber es will ihnen nicht gelingt. Deshalb gründen sich neben ihnen solche Indi- Verlage wie Freibank und M-Class. 

Olga Taranczewski: Einer der Begründer von Freibank ist Marc Chung von den Neubauten. Freibank ist dieses Jahr 11 Jahre alt geworden. Die GEMA nimmt die Aufführungs- und mechanischen Rechte von Autoren wahr, die mit der GEMA einen Werkberechtigungsvertrag haben. Diese Rechte kann man nicht ausschließen. Jedes Werk dieses Autors ist unabhängig davon, ober er es bei der GEMA anmeldet oder nicht und unabhängig von seiner Veröffentlichung der GEMA zur Wahrnehmung übertragen, ohne daß er einzelne Werke davon ausnehmen und selbst verwalten könnte. Eine Ausnahme gibt es nur im Filmherstellungsrecht. Die GEMA nimmt eine Kommission von den Autoren auf die Erlöse, die im klassischen Tonträgerbereich 6% beträgt. Freibank hat sich gefragt: wozu? Welchen Sinn hat das für Autoren, bei denen kein Aufführungsrecht anfällt, die zwar 10.000 Platten verkaufen, aber im Radio kaum gespielt werden, wie genau die Neubauten. Jeder kennt sie, aber sie laufen höchstens in super Indi-Sendungen. Wozu sollen wir die GEMA das verwalten lassen, wenn wir auch selbst mit den Plattenfirmen Verträge abschließen und die Lizenzen im mechanischen Recht selbst wahrnehmen können. Das tut Freibank.  

Die Musikedition M-Class hat sich spezialisiert auf Musik, die auf Software- gestützten Medien erscheint, d.h. Musik für CD-ROMs, CD-Is, Internet und anderen neuen Formaten. Dafür gibt es keine verbindliche Tarifstruktur der GEMA. Sie ist nicht in der Lage Auskunft zu geben, was ein Hersteller bezahlen muß, wenn er Hintergrundmusik auf seiner kommerziellen Webpage hat (-- es geht dabei noch nicht um MOD). Die GEMA kann dem Hersteller nicht verbindlich sagen, was er dem Autor dafür bezahlen muß, kann dem Autor aber verbindlich sagen, daß er dafür 20% Kommission abdrücken muß. Sie ist auch nicht in der Lage, das Geld zu kassieren. Es gibt bislang nur Einzelfallverbindungen. Die GEMA macht einen Kostenvoranschlag, den kann der Autor dann bezahlen oder nicht. Es hat sich gezeigt, daß die GEMA unfähig ist, eine einheitliche Tarifstruktur festzulegen, obwohl das Medium Internet über 10 Jahre alt ist. Für mich zeigt sich daran, daß der Wille nicht da ist, auf die neuen Medien einzugehen. Die Auseinandersetzung wird sehr unwillig geführt. Gerade weil es ein Bereich ist, der sich nur aus U-Musik gestaltet und für die E-Musik überhaupt nicht relevant ist. Und die GEMA ist zuallererst ein Forum für E-Musik.  

Z.B. für CD-ROMs gibt es einen GEMA-Satz von ca. 6,25%, d.h. pro verkaufter CD- ROM werden 6,25% vom Händlerabgabepreis von der GEMA erhoben. Bei großen Spielen a lá Tomb Raider sind das zwischen 35 und 55 DM. Der Hersteller sagt, ich zahle nicht 6% einem Autor, der 2 Monate Musik gemacht hat, für ein Produkt, das mich 2 Mio Dollar gekostet hat und an dem 40 Programmierer 2 Jahre gearbeitet haben. Für einen reinen Audio- Datenträger wie eine CD beträgt der Lizenzsatz 9%. Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was auf einer Spiele-CD-ROM tatsächlich drauf ist. Die GEMA ist aber auch nicht bereit, diesen Satz zu senken.  

Wir, als Vertretung von vielen Autoren, die gerne mal für ein Spiel oder eine CD- ROM-Präsentation oder einen Web-Auftritt die Musik schreiben, verhandeln diese Sätze für GEMA-freie Autoren mit den Herstellern selbst, z.B. einen Satz von 4%. Da hat der Autor immer noch etwas davon. Wir einigen uns mit den Herstellern auf einen Vorschuß auf die zu erwartenden Verkäufe, der sofort -- und nicht erst nach zwei Jahren, wie bei der GEMA -- und ohne Kommission an den Autor gezahlt wird. Das funktioniert auch für Autoren, die Mitglieder der GEMA sind, weil sie es versäumt hat, die Multimedia-Rechte im Berechtigungsvertrag festzulegen, d.h. daß diese Rechte nicht eingeschlossen sind. Jeder Autor kann sich darauf berufen, er habe diese Recht überhaupt nicht übertragen. Die GEMA hat jetzt eine etwas heillose Aktion gestartet und vielen Autoren einen zweiseitigen Zusatz zum Berechtigungsvertrag geschickt, und ich kann nur allen Autoren raten, unterschreibt ihn nicht. Selbst wenn ihr es tun würdet, die GEMA wäre überhaupt nicht in der Lage diese Rechte wahrzunehmen.  

Hanno: Grundsätzlich ist jeder Urheber frei, ob er mit der GEMA einen Berechtigungsvertrag abschließt oder nicht. 

Anonym: Naja, Freibank hat wann -- vor 8 Jahren? -- diesen Prozeß gegen die GEMA geführt. Davor war die GEMA ein Monopol, das keins ist. Die GEMA ist definitiv die einzige Institution, die diese Rechte in irgendeiner Form wahrnimmt, damit man als Musiker überhaupt irgendwann mal was davon sieht. Du kannst natürlich sagen, ich brauche euch nicht, aber dann hast du als kleiner Musiker ohne Label und ohne Verlag ein Problem. Wenn sich eine Band frisch gründet, würde ich ihr auf jeden Fall empfehlen, sich bei der GEMA zu melden, weil sie von denen Geld kriegen. 

Hanno: Ja genau, deshalb ist auch nicht richtig zu sagen, man sollte die GEMA meiden. Sie tut ja durchaus auch mitunter Gutes für die Urheber. Mit den Multimedia-Rechten bin ich noch zweifelnd. Was die GEMA offensichtlich nicht hat, ist das Recht zur Zurverfügungstellung im Internet. Das ist wirklich ein Problem; das wird sie wahrscheinlich so ohne weiteres nicht vergeben können. Nutzungsrechte für Multimedia-Anwendungen dagegen kann man durchaus unter dem Filmherstellungsrecht subsumieren.  

Olga: Man kann immer einen Rückruf für Nutzungsrechte geltend machen. Nutzung meint das Recht, eine bestimmte Musik mit z.B. einem Bild zu synchronisieren. Darauf kann man als Verlag oder Autor immer einen Rückruf geltend machen. Das kann man selbst verhandeln, was auch sinnvoll ist, weil die GEMA das zwar macht, aber es nicht besonders gut verhandelt. Aber wir reden hier vom mechanischen Recht, d.h. die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte, die anfallen pro kopiertem Datenträger. Wir sind hier nicht die GEMA- Haßfront. Die GEMA tut viel für Autoren und ist auch durchaus notwendig. Ich will diese Notwendigkeit überhaupt nicht absprechen. Wir persönlich wären froh, wenn die GEMA diesen Satz senken und es dadurch Autoren ermöglichen würde, daß Hersteller auf sie zugreifen. 

Volker: Das ist in der Tat eine zwiespältige Geschichte. Die GEMA ist ja gegründet worden als eine Art Musikergewerkschaft, eine Solidargemeinschaft, um den am Anfang des Jahrhunderts sich bereits konzentrierenden Plattenherstellern und Veranstaltern gegenüber mehr Gewicht in die Waagschale werfen zu können. Andererseits ist sie ausgewachsen zu einer großen Bürokratie. Sie wird auch als ‘Musikfinanzamt' bezeichnet. Vor allem ist sie sehr unbeweglich was neue Technologien betrifft. Ich habe heute mit Herrn Öller gesprochen, der dort für Multimedia zuständig ist. Er sagte mir, im letzten Jahr seien Linzenzen vergeben worden für -- alles eingeschlossen: CDs, die Zeitschriften beigelegt werden, Computerspiele, Promo-CDs von Firmen -- insgesamt 400 Multimedia-Produkte. In einem Jahr, in dem tatsächlich tausende dieser Träger hergestellt worden sind. Da klafft doch eine ziemliche Diskrepanz auf.  

Als ich vorhin in der Einleitung polemisch sagte, daß hier parallel und als Alternativen zu den verknöcherten Großstrukturen Mikrostrukturen entstehen, die sich dann wieder vernetzen, dann gilt das ja auch für Freibank. Sie stehen in einem Netz namens E.C.C., European Copyright Collection zusammen mit ähnlichen Institutionen in den Beneluxländern, in England und Frankreich. Sie arbeiten mit den Verwertungsgesellschaften in diesen Ländern zusammen, aber übernehmen einen Teil von deren Funktionen. Ist es abzusehen, daß hier etwas ersetzt wird oder ist es nur eine bestimmte Phase, bis die traditionellen Verwertungsgesellschaften darauf reagieren und die Funktionen wieder auf sie übergehen?  

Olga: Das ist schwer zu sagen. Eigentlich ist es keine Übergangsphase, weil sich Freibank ja auf den Tonträgermarkt konzentriert, d.h. auf ein Recht, das von der GEMA relativ erfolgreich wahrgenommen wird. Insofern kann man nicht sagen, daß das nur Nischen sind, die phasenweise entstehen und dann irgendwann von den Verwertungsgesellschaften geschlossen werden. Das hat vielmehr mit dem Unterschied von Industrie und Indepedents zu tun.  

Anon: Warum können die GEMA-pflichtigen Autoren nicht ihre Musik unter Pseudonym für die CD-ROMs zur Verfügung stellen? 

Olga: Das kann man machen, und das ist auch eine beliebte Methode. Den Berechtigungsvertrag schließt du unter deinem wirklichen Namen. Beim Finanzamt bist du auch unter dem wirklichen Namen und allen deinen Pseudonymen steuerpflichtig. Wenn du versuchst das über ein Pseudonym zu verschleiern, wäre das illegal. Der andere Punkt ist: wenn der Hersteller an deinem Namen interessiert ist, der einen bestimmten Bekanntheitsgrad hat, dann will er natürlich nicht, daß du ein Pseudonym benutzt.  

Anon: Wir haben jetzt einen Film gesehen, in dem es darum ging, daß Copyright benutzt werden kann, um bestimmte Dinge zu unterdrücken. Es stört mich, daß ihr jetzt darüber redet, daß das Copyright noch verschärft wird. Ihr wollt die Lücken, die durchs Internet usw. entstanden sind, die die GEMA nicht rechtzeitig erkannt hat, schließen. In Amerika ist ein "kein elektronischer Diebstahl"-Gesetz erlassen worden, das darauf hinausläuft, daß bald jeder Mausklick mit einem Mikropfenning belegt werden kann. Ich würde gern eure Meinung dazu hören... Meinetwegen, U-2 hätten damals eine CD-ROM rausgebracht, dann wären sie doch genauso unter diese Maschine gekommen und hätten genauso vor Gericht verloren.  

Olga: Mal grundsätzlich: wir sind ein Verlag, d.h. wir sind ein urheberrechtsschützender Verein im Sinne unserer Autoren. Wenn du etwas erfindest, wenn du eine musikalische Idee hast und du stellst sie frei ins Netz und möchtest, daß die sich frei, ohne Entgelt verbreitet, dann mach das. Niemand stört dich daran. Wir vertreten ganz eindeutig Autoren, die sehr bewußt entschieden haben, daß sie für ihre Ideen vergütet werden müssen und die natürlich auch davon leben. Du kannst keinem Musiker erzählen, wie toll das für ihn wäre, wenn er die Musik, die er schreibt, ins Netz stellt.  

Anon: Ich möchte ein Beispiel nennen: die Scientology geht erfolgreich gegen Homepages vor, die sie kritisieren, weil diese Symbole und Begriffe verwenden, für die die Scientology das Urheberrecht haben. 

Andy: Ich möchte die Frage mal anders stellen. Es ist zwar richtig, daß freie Künstler alles tun und machen und verschenken können. Das Problem besteht in dem Moment, wo jemand eine schöpferische Leistung macht, die umsonst ins Netz stellt und dann kommt ein ‘Arschloch' her und sagt, das ist meine Erfindung und ich schütze das jetzt. Dann ist es mit der freien Verbreitung vorbei und das, was der eigentliche Künstler ursprünglich wollte, ist dadurch gefährdet. Wie geht man damit um? Wie kann jemand, der Software oder Musik frei und umsonst anbietet, dafür sorgen, daß sie nicht unter ein Recht gestellt wird? 

Volker: Ganz einfach: in dem Moment, wo der Autor sein Werk unter seinem Namen publiziert, verbindet es sich mit seinem Namen. Dann kann hinterher jemand kommen und sagen, das ist meins, aber... 

Andy: Ich muß also meinen Namen dazu schreiben? 

Hanno: Das mußt du nicht, es hilft aber ungemein. Denn es gibt eine Vermutung, wenn es sich um ein Werkstück handelt, bei dem der Name des Autors verzeichnet ist, daß es sich auch um den Autor handelt. Wenn du aber ein Werk frei ins Netz stellst und nichts dafür haben willst, bist du trotzdem der Autor. Wenn ein anderer das später abkupfert oder wesentliche Teile davon entnimmt, darf er das nicht. Und wenn du die Vermutung nicht auf deiner Seite hast, dann mußt du eben beweisen, daß du das vorher gemacht hast.  

Volker: Auf die Free Music Philosophy möchte ich gleich noch zu sprechen kommen. Da die Frage aufgekommen ist, wie die GEMA sich zur Musiknutzung im Internet verhält: Herr Öller hat mir das folgendermaßen erklärt. Es gibt drei Bereiche: Music-on-Demand, das wird von der GEMA ganz genauso behandelt wie die körperliche Verwertung von Musik, also CDs. Das MOD-System der Telekom wird mit Content bestückt von den Plattenfirmen, die einen Nutzungsvertrag mit der GEMA haben. Dort fließt Geld. Die Telekom fungiert verfahrenstechnisch innerhalb der GEMA als Plattenpresswerk. Das ist etwas seltsam, aber das ist ihr logischer Stellenwert. Die GEMA geht auch zu Plattenpresswerken und verlangt von ihnen, daß sie Zugang bekommen und Kontrollinformationen abrufen können, und genauso hat die GEMA Zugang zum Server der Telekom und kann sich dort Abrufstatistiken ansehen. Es ist das übliche Verfahren einer großen, trägen Struktur: nach Möglichkeit alles so belassen, wie wir das schon immer gemacht haben, und das Neue in die alten Formen pressen. Dann geht es um Live-Streaming, das ist offensichtlich noch eine sehr unsichere Sache. Es wird bei einer anderen Abteilung als Sendung abgerechnet und gilt als Rundfunk. Wie es sich verhält, wenn derselbe File unmittelbar danach zum Abruf im Netz steht, ist noch fraglich, also ob das dann zweimal abgerechnet wird. Die GEMA-Leitung beharrt darauf, das möglichst sauber zu trennen. Der dritte Bereich ist die kostenlose Einstellung von Musik, z.B. eine Band, die auf ihrer privaten Homepage einen Promo-Clip ihrer neusten Platte ablegt. Da sagt die GEMA: es fließt zwar nirgends Geld, dennoch ist das lizenzpflichtig und wir berechnen für Mailorder-Systeme 5 DM pro Minute pro Monat für Pre-Listening. Wenn z.B. ein RealAudio-File von einem Stück abgelegt ist, auf das man klicken kann, um es in hochauflösendem Format oder als CD in seinen Warenkorb zu legen, dann kostet das. Ist es nicht unmittelbar an einen Verkauf gekoppelt, dann sind es sogar, wie er mir sagte, 10 DM pro Minute und Monat. In dem Fall, daß die Band Urheber dieses Stückes ist, bezahlt die Band für die Musik, die sie kostenlos zur Verfügung stellt, an die GEMA und bekommt dann von der GEMA dieses Geld abzüglich deren Kommission wieder zurück -- nach zwei Jahren.  

Olga: Ich habe auch extra bei der GEMA angefragt und mir ist gesagt worden: 5 DM pro Minute pro Werk pro Kalendermonat. Dann habe ich gesagt, wir gehen hier aus von 10 Minuten Musik. Dann zahlt der Autor, der seine Musik auf seiner Homepage hat, 600 DM im Jahr, von denen er 120 DM Kommission an die GEMA abgibt und 480 DM zurückbekommt, die er dann natürlich als Einnahmen auch noch versteuern muß. Auf die Frage, in wieweit das überhaupt irgendeinen Sinn ergebe, sagte mir die GEMA, na der Autor hätte ja dadurch die vollständige Kontrolle. Dann sagte ich: wozu braucht ein Autor auf seiner eigenen Homepage die Kontrolle über etwas, was er ohnehin verschenkt? 

Anon: Wir sollten mal überlegen, was die Alternativen sind. Wie könnte man das anders und trotzdem fair gestalten. Du hattest gesagt, bei MOD -- was für die GEMA auch erst ein Begriff ist, seit Thomas Stein von der BMG ihn eingeworfen hat -- geht ein bestimmter Anteil des Verkaufspreises auch an die GEMA, selbst wenn ich ein Künstler bin, der noch keinen GEMA-Vertrag hat und keinen Verlag und keine Plattenfirma will, sondern meine Musik nur über verschiedene MOD-Anbieter vertreibe. Reicht da die Rechtslage aus zu sagen, den GEMA-Anteil geben sie bitte direkt an mich weiter? 

Andy: In wieweit besteht denn die Möglichkeit, eine differenzierte Rechteabgabe zu machen? Gerade für unbekannte Künstler besteht doch das Problem, daß sie sehr gerne ihre Musik als Werbemaßnahme sehr gerne ihre Musik die ersten zwei Jahre umsonst rausgeben. Aber irgendwann wollen sie natürlich Geld verdienen. 

Olga: Es gibt keine differenzierte Rechtewahrnehmung. Bei einem Musikverlagen kannst du sagen, ich gehe nur mit Band X oder nur mit einzelnen Stücken zu dem Verlag. Das kannst du bei der GEMA nicht machen. Das einzige, was dir bleibt, ist GEMA-frei zu sein. Dann kannst du aber zu keinem Industrieverlag gehen, weil die es zur Bedingung eines Vertrages machen, daß du GEMA-Mitglied wirst.  

Andy: Das Problem besteht darin, um einen Hit zu landen, muß man einen bestimmten Bekanntheitsgrad haben. Der ist nur möglich durch diese großen Monopole. Als Kleiner werde ich niemals Geld verdienen, wenn ich das alles umsonst mache, und ich werde niemals Geld verdienen, wenn ich der GEMA beitrete, weil ich dann erstmal ganz viel Geld haben muß, um die Werbung zu bezahlen, die ich betreibe, indem Leute das umsonst runterladen können. Das ist doch gaga...  

Hanno: Du könntest Musik frei von der GEMA ins Netz stellen über MOD. Das Problem ist nur, dort verkaufen sie die Musik, aber wenn sie später anderweitig verwendet wird, über Airplay z.B., kriegen die Musiker keine Einnahmen oder müssen selber zu den Radiostationen gehen. 

Anon: Man kann ja auch zu einem Verlag gehen wie Freibank. Scooter ist damals mit seiner ersten Single rumgerannt und haben keinen Verlag gefunden, weil sie alle richtig grausam fanden. Sie sind dann von Freibank mit einem "na gut" angenommen worden und es ist trotzdem ein Hit geworden. Man kann schon etwas erreichen, aber um eine gewisse Struktur kommt man wohl nicht herum. 

Volker: Ein Ort, wo Bands, die schon bekannt sind -- nicht zuletzt die Neubauten --, aber auch völlig unbekannte ihre Musik ablegen können, ist das Archiv von Radio Internationale Stadt. Es hat gerade bei der Ars Electronica einen Anerkennungspreis bekommen. Thomax Kaulmann hat es 1996 gegründet. Die GEMA-Regelung für kostenlose Musik, von der wir gerade gesprochen haben, wird auch dieses Archiv betreffen. Da ist eine Menge Musik drin. Aber vielleicht erzählst du erstmal etwas zur Geschichte und zur Idee von RIS. 

Thomax Kaulmann: Was ich mache, ist ein offenes Radioarchiv, d.h. es ist ein Kontributoren-gespeistes System. Kontributoren sind Personen, die mit dem entsprechenden Account im Internet ihre Audio-Files veröffentlichen können. Ich habe mit der Veröffentlichung nur insofern etwas zu tun, als ich diese Infrastruktur entwickelt habe und den Server dafür ins Netz gestellt habe. Ich sitze hier auch aus dem Grund, weil ich nicht weiß, in wieweit ich als derjenige, der die Infrastruktur bereithält, haftbar bin oder in wieweit es die Kontributoren betrifft.  

Volker: Ich fürchte, die Frage wird dir hier niemand beantworten können. Vor allem wird es dir die GEMA selbst, nach dem Kenntnisstand, der mir heute vermittelt worden ist, nicht sagen können. Die Absurditäten dieses Systems sind offensichtlich. Wie immer denke ich, daß Leute sich zusammenschließen und kollektiv dagegen vorgehen müssen. Es gibt eine ganze Kultur von Musikern und anderen, die Audiodaten ins Netz legen, mit dem Ziel, nicht Geld damit zu verdienen, sondern genau an dieser Vermittlung und Weiterschreibung von Kultur teilzunehmen. Da muß man versuchen, daß gemeinsam durchzusetzen.  

Tim: Hast du denn GEMA-geschütztes Material auf deinem Server? 

Thomax: Ja, natürlich. Z.B. haben wir Stücke von den Neubauten drauf. Das ist in Absprache mit dem Label passiert. Eigentlich sind es auch die Labels, die richtig querschießen können. Es ist ja nicht allein die GEMA, die Rechte wahrnimmt, sondern auch die Labels. Da gibt es wesentlich mehr aufzuarbeiten als mit der GEMA. Ich glaube mit der GEMA kann man sich sicherlich arrangieren, aber was die einzelnen Labels angeht, weiß ich nicht.  

Tilman: Was heißt denn Kontributoren? Sind das die Musiker, die da was drauflegen, oder ist das Hans und Franz? 

Thomax: Sowohl als auch, oder auch Organisationen oder auch mal ein Label.  

Tilman: Das heißt ja auch, daß gegen den Willen von Band XY etwas bei dir auftauchen könnte, ohne daß du darauf Einfluß hast. 

Thomax: Das könnte passieren, in der Tat. 

Volker: Eine andere Frage, die dabei relevant ist, betrifft das Urteil gegen Felix Somm: wie sind Access-Provider und Content-Provider unterschiedlich zu behandeln? Hier würde ich sagen geht es um einen Grenzbereich. Im Grunde ist Content-Provider jeder einzelne, der bei RIS Daten einstellt und damit verantwortlich wäre, wenn er Sachen reinstellt von Leuten, die das eigentlich gar nicht so gerne wollen. Und du bist Access-Provider oder Infrastruktur- Provider, oder? 

Thomax: Wenn ich das wüßte. 

Tim: Gottseidank gibt's keine Kinderpornographie als Audio, sonst hättest du wahrscheinlich schon ein konkretes Problem. Gab's denn schon problematisches Material, das eingespielt wurde? 

Thomax: Nein, eigentlich nicht. Es gibt jede Menge Anfragen von außen. Aber was hier gemacht wird, ist etwas, das eine Community aufbaut. Es passiert nicht plötzlich, und wir sind nicht so groß. Wir wachsen stetig. Die Kontributoren, die dazukommen, sind in einer bestimmten Richtung ausgerichtet. Es ist nicht so, daß jemand Madonna darauflegt.  

Anon: Was würdest du dann machen? 

Thomax: Was soll ich tun? Ich kann's vielleicht löschen. Aber dazu müßte ich den Content täglich kontrollieren, und das sehe ich auch nicht als meine Lebensaufgabe.  

Anon: Das ist schon eine spannende Sache. Versteh mich nicht falsch, ich find das System super-cool, aber das ist eine schwierige Frage. Nehmen wir etwas, das wir bestimmt alle scheiße finden: wenn rechtsradikale Songs da auftauchen. Spätestens dann mußt du anfangen, dich darum zu kümmern. Die Frage, die sich für uns alle stellt: wenn ich nur die Infrastruktur für die weltweite Verbreitung von Inhalten zur Verfügung stelle und dann sage, aber was da verbreitet wird ist mir egal, dann muß man da neu drüber nachdenken. So einfach kann's nicht sein. 

Tim: Warum sollen denn keine rechtsradikalen Songs drauf sein? 

Anon: Wenn du ein Forum bieten willst für alles und jeden... 

Thomax: Schön ist es nicht. Natürlich mache ich mir Gedanken darüber. Noch ist es nicht passiert. Man muß dann halt abwägen. Ich denke, daß man sich da auch anders auseinandersetzen kann. Ich glaube auch, daß das aufgrund der Ausprägung des Servers nicht passieren wird.  

Andy: Das ist auch eine andere Diskussion, die Frage, ob es negative Information gibt. Inwieweit die Atombombenbauanleitung jedem zugänglich sein muß. Aber bei Musik kann man die Diskussion echt in die Ecke stellen. Das ist eine sehr subjektive Wertung. 

Thomax: Natürlich hab ich mir darüber Gedanken gemacht. Aber was wir hier diskutieren sollten, sind neue Vertriebsstrukturen. Das Internet bietet die Möglichkeiten, mit Codierungsverfahren wie MPEG selber eigene Vertriebsstrukturen aufzubauen. Darüber sollten wir sprechen. Brauchen wir überhaupt noch Label-Strukturen oder die GEMA, wenn jeder Künstler selber seine Sachen vermarkten kann? 

Volker: Naheliegende Frage: das RIS-Archiv beruht jetzt auf RealAudio. Hast du vor es umzustellen auf MPEG? 

Thomax: Schwierige Frage. Ich würde es gerne umstellen, aber ich möchte das RealAudio- Format erstmal nicht verlassen, weil es jede Menge positive Dinge mit sich bringt. Einen Mischbetrieb kann ich nicht fahren, weil solche Features wie Play-Lists, die ich jetzt da drin habe, technisch aufwendig wären zu realisieren. Aber wenn die Zeit dazu da ist -- ich weiß, hier sitzt einer, der würde das sofort machen wollen -- dann werde ich das alles nach MPEG bringen. 

Volker: MPEG ist die Überleitung zu Niels Rump vom Institut für Integrierte Schaltungen der Fraunhofer Gesellschaft. Ihr habt 1985 angefangen, euch mit Audio-Codierung zu beschäftigen. Ihr seid maßgeblich beteiligt gewesen an dem Standardisierungsprozeß im Rahmen von ISO. Der Standard ist zum Teil mit öffentlichen Geldern und EU-Geldern, zum Teil mit Industriefinanzierung und in einigen Phasen durch die Grundfinanzierung der Fraunhofer Gesellschaft selbst entwickelt worden. Vielleicht erzählst du einfach mal von den Ups-and-Downs in diesem langen Zeitraum von 1985 bis vor etwas anderthalb Jahren, als sich der MP-3-Standard im wesentlichen verbreitet hat.  

Niels Rump: Es ist sinnvoll erstmal zu sagen, wer die Fraunhofer Gesellschaft ist. Das ist ein eingetragener Verein, der sich der angewandten Forschung verschrieben hat und die Brücke zwischen der Universität und der Industrie - hauptsächlich der kleineren und mittelständischen Industrie - schlagen will. Wir bekommen eine Grundfinanzierung. In dem Bereich Audio-Multimedia am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen, wo ich arbeite, beträgt sie etwa 10-15%. Der Rest kommt über Verträge, die wir mit Industrieunternehmen in aller Welt haben. Im Rahmen unserer Eigenforschung haben wir uns seit 1985 in Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen mit Audio-Codierung beschäftigt. Wir haben in einem ziemlich langen Weg durch die ISO-Institutionen den MPEG-1 und MPEG-2 Audiostandard mitgestaltet. Der besteht aus drei Teilen, genannt Layer 1 bis 3. Der komplexeste und effizienteste ist der MPEG-Layer 3, kurz MP-3, der überwiegend bei uns im Institut in Erlagen entwickelt worden ist. Thompson-Multimedia hat ein oder zwei essentielle Patente in der Entwicklung eingebracht, aber die eigentliche Arbeit ist bei uns entstanden.  

Tilman: Kannst du erklären, was der Unterschied zwischen MPEG und anderen Codierungsverfahren wie RealAudio ist? 

Niels: Das Prinzip ist immer dasselbe. Es wird versucht das Ohr, das menschliche Gehör zu modellieren. Alles was das Ohr nicht hören kann, kann man weglassen. Das Signal wird so verändert, daß nur noch die für das menschliche Ohr relevanten Teile enthalten sind. Dadurch bekommt man Kompressionsfaktoren von inzwischen 1:16 hin, ohne daß das menschliche Ohr Unterschiede festellen kann. MPEG steht für Moving Pictures Expert Group. Das ist eine Gruppe innerhalb des riesigen Baums von verschiedenen Kommittees innerhalb der ISO. Sie beschäftigt sich mit der Kodierung von Audio- und Videosignalen. MPEG hat eine Audio- Gruppe und eine Video-Gruppe. Es ist eine parallele Entwicklung, die über eine sog. System- Layer miteinander verbunden werden kann, so daß man einen MPEG-Bitstream hat, wo Video und Audio zusammen übertragen werden können. Auf die Frage nach RealAudio, Dolby, AC-3 oder was es noch für Verfahren gibt: der wirkliche Unterschied ist, daß MPEG ein internationaler Standard ist. D.h. der Bitstrom, die Syntax, nach der die Daten übertragen werden, ist fest definiert, und daß die Leute, die diese Verfahren entwickelt haben, gezwungen sind, sie an jeden zu lizenzieren, unter ‘fair and non-discriminatory terms'. RealAudio kann dir verweigern, dir sein System zu geben. Die Leute, die bei MPEG mitgearbeitet haben, können das nicht.  

Tilman: Wie sieht es mit der Klangqualität aus? RealAudio ist ja keine CD-Qualität, MPEG ist es? 

Niels: Das ist immer eine Frage der Bit-Rate, die man erreicht. Aber es ist richtig, daß im Vergleich die MPEG-Codecs deutlich besser abschneiden. Das ist auch eine Frage der subjektiven Einschätzung. Es gibt zwei Fraktionen bei der Qualitätseinschätzung: die einen wollen mehr Bandbreite hören und die anderen wollen einen klareren Klang und weniger Artefakte hören. Der RealAudio-Codec bietet mehr Bandbreite, aber da sind deutlich Artefakte zu hören. Während beim MP-3-Codec, zumindest so wie wir ihn verwenden, eher die Bandbreite beschränkt wird, als daß wir Artefakte, hörbare Unterschiede zum Originalsignal akzeptieren wollen. Aber es ist richtig, mit einem ISO-MPEG-Layer 3 bekommen wir bei 128 Kbps was wir CD-Qualität nennen. Es ist noch nicht wirklich transparent zum Originalsignal, aber für normale Umgebungsbedingungen ist es völlig ausreichend.  

Frage: RealAudio kann man ja sofort im Netz hören. Geht das bei MP-3 auch so oder muß man einen File erst runterladen? 

Niels: Das hat nichts mit dem Audiokomprimierverfahren zu tun. Das hat damit zu tun, daß bei RealAudio automatisch ein Client-Server-Modell dahintersteht. RealAudio verkauft an seine Kunden einen Server, der automatisch die Daten komprimiert und raus-streamt, und der Client kann sie dann abspielen. Das gibt es genauso für Layer 3. Einerseits sind die meisten Player, u.a. der WinPlay von Fraunhofer, der auf unserer Website zum freien Runterladen steht, streaming-fähig über http. Andererseits kann man Microsoft-NetShow verwenden und den normalen MediaPlayer von Windows. Da funktioniert das Streaming genauso wie mit RealAudio und mit anderen Systemen.  

Anon: Gibt es dabei eine Möglichkeit, das digitale Abspeichern zu verhindern?  

Niels: Ich kann in meinem Browser mit der rechten Maustaste auf den Link gehen und ‘save as' wählen, dann kann ich den Stream abspeichern.  

Tim: Es geht vielleicht auch bei Windows, aber wenn man ein richtiges Betriebssystem nimmt, so wie Linux... letztlich muß die Software das Signal auf ein Device zu schreiben, wo man es hört, und das muß zwangläufig unkodiert sein... 

Niels: An die unkomprimierten Daten kommt man immer ran. Das wirtschaftlich Wertvolle sind die komprimierten Daten. Dort kann man es dem Benutzer schwer machen, sie abzuspeichern. Im Multimedia-Protection-Protokoll haben wir eine Möglichkeit das zu verhindern. Aber absolute Sicherheit gibt es nicht.  

Tim: Ich möchte einhaken bei der Aussage, daß Fraunhofer nicht verhindern kann, daß jemand diesen Standard benutzt und sie müßten es lizenzieren. Das klingt so als wäre es eine Benefiztat von Fraunhofer an der Welt. Letztenendes gab es einen Grund, es zum Standard werden zu lassen, weil dann ist jeder gezwungen, es zu verwenden. 

Niels: Nein. 

Tim: Das ist doch der Sinn bei einem Standard.  

Niels: Man muß keinen Standard benutzen. Es ist deshalb ein internationaler Standard geworden, weil Experten in aller Welt damals, 1990-91, gesagt haben, das ist das beste Verfahren, das wir heute kennen. Um etwas interoperabel zu machen zwischen verschiedenen Systemen schlagen wir dieses Verfahren vor. Aber wer das nicht benutzen möchte, bitte, der soll RealAudio oder PCM nehmen. 

Tim: Nun ist es das Wesen eines Standards, daß er die technologische Basis für die zukünftige Weiterentwicklung darstellen soll. So freibleibend ist es ja nicht, sonst würden sich nicht so viele Wissenschaftler hinsetzen und das entwickeln. 

Niels: Natürlich ist das auch ein Marketing-Argument, ganz klar. 

Tim: Richtig. Insofern bin ich als Kleinanbieter gezwungen, mich auf Standards zu stützen. RealAudio ist in keiner Weise frei. Es ist nicht dokumentiert. Ich weiß nicht, wie das funktioniert. Es ist eine Technologie, die mir nicht zur Verfügung steht. Das einzige was öffentlich dokumentiert ist, ist in diesem Fall MPEG. Ich muß mich auf das einlassen, was der Standard vorgibt. Wenn ich dann eigene Software für diesen Standard entwickeln will, sehe ich mich gezwungen, Geld an Fraunhofer zu zahlen, weil Fraunhofer das mal eingefallen ist. So daß eine Freeware-Szene vollständig ausgeschlossen ist im MP-3-Bereich.  

Niels: Stimmt, das ist so. 

Tim: Und findest du das gut? 

Niels: Ja. Wir haben gerade gesagt, da ist viel Geld für bezahlt worden. Bei uns in Erlangen arbeiten jetzt ca. 50 Leute in dem Bereich. 1985 hat es angefangen. Da kann man sich ausrechnen, was das ganze kostet. Wir müssen uns unser Brot erhalten. Wir bekommen eine Grundförderung von 15% vom Staat.  

Anon: Die Uni hat da auch mit programmiert. Gerade diese MPEG-Entwicklung war doch auch EU-finanziert.  

Niels: Ich muß zugeben, so lange bin ich noch nicht am Fraunhofer-Institut. Ich weiß nicht, wo die Gelder für die Entwicklung des MP-3-Formats im Einzelnen hergekommen sind. Das Modell der ISO sieht vor, daß diejenigen, die Patente an bestimmten Technologien haben, diese Patente auch ausnutzen können sollen und müssen, ansonsten würde keiner daran weiterarbeiten.  

Tim: ... um als Unternehmen einen klaren technologischen Vorsprung zu haben. Fraunhofer ist ein anerkannter technologischer Betrieb, auch wenn er sich Verein nennt, der sich nicht nur das Verfahren hat einfallen lassen, sondern der auch Software produziert und daher auch kompetenter Ansprechpartner für die Industrie für konkrete Entwicklungen ist.  

Niels: Und mit genau den Geldern von den Entwicklungen, die wir für Industrieunternehmen machen, wird auch die weitere Vorlaufforschung für den Audio-Codec von morgen finanziert.  

Tim: Werden denn 15% von den Patenteinnahmen auch wieder an den Staat zurückgeführt, wo sie ursprünglich herkamen? 

Niels: Nein. Ein Schritt zurück: die 15% bekommen wir deswegen, weil wir als Forschungsabteilung für die mittelständische Industrie arbeiten sollen. Gegründet wurde die Fraunhofer Gesellschaft 1949. Nach dem Krieg gab es keine Forschung in Deutschland. Es gab einige kleine Unternehmen, die aber wieder hochgepäppelt werden mußten, die Forschung brauchten, um an der vordersten Front stehen zu können. Da ist die Fraunhofer Gesellschaft eingesprungen. Deswegen ist es so, daß wenn wir etwas nach Deutschland verkaufen, wir 15% billiger sind, als wenn wir es ins Ausland verkaufen. Das heißt, das Geld fließt schon wieder zurück. Nicht direkt an den Steuerzahler, aber schon in die Volkswirtschaft.  

Anon: Die letzten anderthalb Jahre wurde ja zugeguckt, was mit MP-3 passiert. Wenn man sieht, daß viele Leute ihre Songs mit MP-3 kodieren, dann hat Fraunhofer das auch beobachtet und sagt dann auch in der Standardisierung: seht mal, es wird ja schon überall benutzt. Obwohl es damals auch schon lizenzpflichtig war, war man nicht so da hinterher wie jetzt. Ich frage mich, warum Fraunhofer nicht sagen kann, OK, wenn du auf der Freeware- Basis arbeitest, wenn du Software schreibst und die umsonst wieder ins Netz gibst, dann brauchst du dafür auch keine Lizenz zu bezahlen. Und wenn die Telekom kommt und für ihr MOD-System gerne MP-3 verwenden möchte, dann haben sie dafür zu zahlen, weil sie das kommerziell nutzen. Das fällt mir als Laie dazu ein, wie das halbwegs fair wäre.  

Niels: Die Telekom zahlt. Daß wir früher nicht gegen illegale Nutzung vorgegangen sind, kann ich nicht nachvollziehen. Seit kurzer Zeit gab es einen Anstieg an freien Encodern und gegen dieses massenhafte Auftreten von sogenannter Freeware sind wir eingeschritten. Das ist richtig. Aber wir haben von Anfang an gesagt, Encoder sind lizenzpflichtig. Bei Decodern behalten wir uns zwar das Lizenzrecht vor, aber wir gehen nicht dagegen vor.  

Tim: Was kann mich da sicher machen, wenn ich selber einen programmiere? Droht nicht, daß die Decoder-Szene auch noch zusammengeklagt wird? 

Niels: Nein. Das wäre noch wesentlich hoffnungsloser als bei den Encodern. Um einen vernünftigen Encoder zu schreiben, ist sehr viel Erfahrung nötig. Um einen Decoder zu bauen holt man sich den Standard und kann das straight-forward runterprogrammieren. Aber um einen guten Encoder zu bauen, braucht man viel Erfahrung, Gespür und viel Zeit. 

Tim: Um eine technologische Lösung zu finden, braucht man heutzutage einen 16-jährigen Schüler. Egal ob es um Atombombenbauen oder das Schreiben eines MP-3-Encoders geht. Der ursprüngliche Ansatz, das menschliche Ohr nachzubilden, war sicher mal eine geniale Idee, aber diese Idee ist jetzt in der Welt. Das ist ein gesellschaftliches Gut. Eigentlich lizenzpflichtig ist die konkrete Idee, daß die Bits so-und-so stehen. Wenn ich die Bits ein bißchen anders setze, wie RealAudio, was im Prinzip genau das gleiche Verfahren ist, nur das es eben nicht dem Standard entspricht... RealAudio hat es geschafft das zu umgehen und hat coole Software drumrum gebaut, die auch noch funktioniert. Aber das ist auch eine Company. Ich weiß nicht, warum das andern Leuten nicht auch offen stehen sollte. Jemand der einen Freeware-MP-3-Encoder schreibt, verdient damit ja kein Geld. 

Thomax: Ich wollte anmerken, daß RealAudio seinen Standard offengelegt hat. Der ist auf den RealAudio-Seiten abrufbar. Man kann ihn nachlesen. Man kann auch selbst Encoder und Decoder schreiben. 

Volker: Ich hatte vorhin schon den ISO-Prozeß der Standardisierung dem Verfahren der IETF gegenübergestellt. In der Internet-Welt ist das ja genau so ein Verfahren, wo ähnliche Expertenkommissionen über Jahre zusammenarbeiten an Standards über TCP/IP, durchaus auch Leute aus Firmen und Unis. Auch dort gibt es ein wirtschaftliches Interesse, von Sun meinetwegen, einen Spezialisten für diese Arbeitsgruppe freizustellen, weil es ihnen erlaubt, über einem allgemein verbreiteten Standard kommerzielle Entwicklungen vorzunehmen, die hinterher dem Unternehmen wieder nützen.  

Thomax: Wenn das Verfahren der Socket-Programmierung geschützt worden wäre, dann gäb's keine Möglichkeit, einen MPEG- oder RealAudio-Stream laufen zu lassen. Es gäbe gar kein World Wide Web. Es gäbe diese Technologie nicht, weil eine Firma drauf sitzen und es nicht weitergeben würde, oder nur gegen viel Geld. So etwas wie neue Server-Client- Strukturen hätten kaum eine Möglichkeit entwickelt zu werden. 

Anon: Beim Urheberrecht ist es doch so, daß es unter fair-use fällt, wenn ich etwas kopiere und nichts daran verdiene. 

Niels: Es geht hier nicht um Urheberrecht, sondern um Patente. Und da spielt es keine Rolle, ob jemand etwas damit verdient.  

Anon: Aber doch zurück zum Urheberrecht. Wenn ich eine Cassette von Madonna kopiere, dann muß ich doch dafür nichts bezahlen, oder? 

Hanno: Man zahlt dafür: über eine Geräteabgabe des Cassettenherstellers. 

Anon: Und wenn das ganze im Internet passiert, wo kein Cassettenhersteller zwischengeschaltet ist? 

Hanno: Dann ist die Frage, ob man das nicht über andere Abgaben behandeln kann, ob man nicht eine Geräteabgabe auf Computer erhebt, die natürlich leider auf den Verbraucher umgelegt wird, oder eine Internet-Download-Steuer auf jedes Kilobyte.  

Volker: Wir müssen bald zum Schluß kommen, aber ich möchte doch noch etwas hören zum MMP, zum Multimedia-Protection Protokoll. Wie funktioniert es, worauf beruht es? Es wird benutzt im Telekom-System und von Musik City MCY, von denen auch jemand hier ist, und von MODE, das aus einem EU-Projekt hervorgegangen ist und nächstes Jahr in Utrecht ge- launched wird.  

Niels: Ich gehe nochmal einen Schritt zurück. Wir haben es im Moment im Internet mit jeder Menge Raubkopien zu tun. Jemand hatte die Zahl von 70 oder 80.000 Raubkopien überwiegend als MP-3-Dateien im Internet genannt... 

Andy: Ich finde den Begriff ‘Raubkopie' völlig unangemessen, weil es wird nichts geraubt. Das ist ein Propagandabegriff. 

Niels: Nennen wir's ‘illegal kopiert'. Wenn der Künstler nicht möchte, daß du seine Dateien verwendest, dann möchte er es nicht.  

Hanno: Wer das will, kann es ja frei ins Netz stellen, und du kannst es ja auch nutzen, aber man muß doch nicht so tun, als sei der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht nur ein Hirngespinst. Es ist doch dafür da, daß Leute -- nicht nur Künstler, sondern auch Wissenschaftler und Techniker -- angehalten werden, ihre Investitionen wieder reinzubekommen. 

Andy: Es gibt aber zwei unterschiedliche Szenen, über die wir hier reden. Es gibt die Fälle der Leute, die das Geld machen: die sollen selbstverständlich für die Produktionsmittel, die sie benutzen, um Geld zu verdienen, bezahlen, und die Hersteller der Produktionsmittel sollen ihren return of investment haben. Aber diejenigen, die an der Geschenkkultur ein Interesse haben und an einer Evolution, sollen in der Lage sein, ihre Kultur zu betreiben, ohne daß sie die Produktionsmittel... 

Hanno: Das können sie ja auch. Niemand ist gezwungen, MP-3 zu benutzen. 

Andy: Aber ein Standard ist ein Standard.  

Hanno: Dann erfinde selber was. Was heißt denn ‘frei'? Wenn man Werke von anderen ins Netz stellt, dann ist das nicht frei. Das geht auf kosten der Tonträgerhersteller und der Komponisten. Da erscheint geschützte Musik von Leuten im Netz, die davon leben wollen, und das geschieht massenhaft. Die können davon nicht mehr leben. 

Niels: Und um diese Leute zu schützen, müssen drei Sachen passieren. Erstens muß gegen diese illegalen Kopien aktiv vorgegangen werden. Sie müssen vom Netz genommen werden und die Personen, die diese Kopien illegal aufgespielt haben, müssen für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen werden.  

Christoph Keller: Das Urheberrecht nützt den Musikern überhaupt nicht. Wem es nützt, sind die größeren Organisationsstrukturen wie Fraunhofer, aber vor allem die Majors. Das sind die einzigen, die davon profitieren. Jetzt so zu tun, als würden die Leute, die du illegale Kopierer nennst, den Musikern selber schaden, das ist einfach nicht wahr.  

Hanno: Die bekommen doch Prozente von den verkauften Tonträgereinheiten.  

Anon: Bei diesen Kopien zu sagen, daß man damit den Künstlern schadet, ist insofern eine Milchmädchenrechnung, als daß es nicht heißt, daß jeder, der sich eine Kopie anhört, sich ansonsten die Platte gekauft hätte. Deswegen stimmt die Rechnung nicht. 

Andy: Es ist dasselbe Problem bei den Zahlen der sogenannten Software-Piraterie. Da sind auch unheimliche Geldsummen im Spiel, die jeden Schüler, der seinen Rechner voller Software hat, mitzählen und denken, der hätte sich all das gekauft. Das ist aber völliger Quatsch. Ein Schüler kann sich das gar nicht leisten. Und wenn es darum ginge, was die Leute sich kaufen würden, dann würde sie sich wahrscheinlich alle Linux holen. 

Niels: Das geht am Thema vorbei. Es ist nach dem momentanen Recht einfach illegal. Ob die Strukturen richtig oder falsch sind, da bin ich mit Sicherheit nicht der richtige, das zu beantworten. Wenn die Künstler von ihrem Tun etwas haben wollen, in einem System, das so ähnlich funktioniert -- und denke ich auch funktionieren muß -- wie heute, muß gegen dieses illegale Tun vorgegangen werden. Aber es muß ein zweiter wichtiger Schritt gemacht werden. Es muß eine legale und sinnvoll bepreiste Alternative geben. Wenn ich mir online Musik nach hause holen kann, über einen legalen Weg, an dem der Musiker sein Schärflein abbekommt, dann denke ich, wird auch die Masse der Benutzer diesen Weg gehen. Ein Tool um solche Sachen zu machen ist das Multimedia-Protection Protokoll, das verhindert, daß jemand der diese Musikdatei nicht gekauft, also nicht die Rechte zum privaten Abspielen bezogen hat, diese Datei abspielen kann. Das ganze funktioniert über kryptografische Methoden, die mit einem Schlüssel aufgeschlossen werden, bevor man sich das anhören kann. Es funktioniert nicht über Watermarking, wobei man das als Ergänzung zu solchen kryptografischen Verfahren verwenden kann. Es wird aber bei MMP nicht verwendet. MMP dient zum Personalisieren einer Datei, d.h. eine bestimmte Person, die den Schlüssel hat, kann die Musik anhören. 

Volker: Ich würde gern an einigen Punkten weiterfragen. Ich wäre auch gern noch auf die Free Music Philosophy zu sprechen gekommen. Zum Abschluß möchte ich aber noch eine Anekdote zum Besten geben. Ein Insider der amerikanischen Musikindustrie hat eine Kalkulation angefertigt, um Leuten, die Musik machen in der Hoffnung, irgendwann Madonna-Status zu bekommen, berühmt und reich zu werden, die Augen zu öffnen. Es geht um ein konkretes Beispiel von einer Band, die einen Plattenvertrag bei einem Major-Label hat, die 250.000 CDs verkauft und eine Tour im eigenen Tour-Bus gemacht hat. Das wird hier relativ detailliert aufgelistet. Der Balance-Sheet sieht folgendermaßen aus. Die Schallplattenfirma hat verdient 710.000 $, der Producer hat verdient 90.000 $, der Manager 51.000 $, das Studio 52.000 $, das vorherige Label, von dem die Band freigekauft worden ist, 50.000 $, der Agent 7.500 $, die Rechtsanwälte 12.000 $. Die Bandmitglieder haben ein Nettoeinkommen von jeweils 4031,25 $ übrigbehalten. Das ist etwa ein Drittel dessen, was sie verdient hätten, wenn sie die gleiche Zeit im Supermarkt gearbeitet hätten. Wenn sie in ihrer Freizeit Musik gemacht und die kostenlos ins Netz gestellt hätten und ihrer Hörer aufgefordert, wenn euch die Musik gefällt, schickt uns 5 oder 10 $ -- also das Shareware- Prinzip -- hätten sie mehr davon gehabt. Dieses Dokument und die Free Musik Philosophy ist eingeklinkt auf der Linkliste zur heutigen Veranstaltung. Dort findet sich auch ein Fülle von Sites, die diese Free Music-Idee praktizieren, also so wie RIS kostenlose Uploads anbieten, und sehr wohl auch Sites, die Free Music als Business-Modell verwenden. Nach den Zahlen, die ich grade vorgelesen habe, ist jedes System besser als das, was es heute in der Musikindustrie gibt.  

Niels: Ein letztes Wort von mir noch. Es ist heute sehr viel auf die GEMA geschimpft worden. Es ist sicherlich ein sehr bürokratischer und großer Laden. Nichtsdestotrotz hätte ich es begrüßt, wenn jemand von der GEMA hier gesessen hätte, um zu den massiven Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ich weiß, daß du dich bemüht hast... 

Olga: Das ist ja auch bei einer Abteilung, die nur 10 Leute hat, recht schwierig.  

Volker: Ich danke euch, daß ihr gekommen seid.